Was, wenn Leere nicht dein Versagen ist,
sondern der Beginn deiner Neu-Programmierung?
Wir fürchten die Leere, als wäre sie ein Loch, das uns verschluckt, doch vielleicht ist sie kein Abgrund, sondern ein Raum, in dem etwas geschieht, das größer ist als unser Denken.
Stell dir mal folgende Szene vor: Nach einer Trennung. Nach dem Jobverlust. Nach dem Moment, in dem eine Rolle, die du lange gespielt hast, plötzlich nicht mehr gilt. Du wachst morgens auf, die Wohnung wirkt fremd, dein Körper schwer, deine Gedanken ratlos. Nichts passt mehr, alles ist still, aber nicht friedlich. Haltlosigkeit. Es fühlt sich an, als würde dir der Boden unter den Füßen weggezogen, doch vielleicht ist genau das kein Ende, sondern der Beginn.
Die Natur zeigt es uns in einer Klarheit, die uns Menschen fast schmerzt: die Raupe. Sie frisst, sie wächst, sie lebt in einer klaren Form, bis der Moment kommt, in dem sie sich in den Kokon zurückzieht. Und was dann geschieht, ist brutal und heilig zugleich, denn ihre alte Struktur zerfällt. Die Raupe hört auf zu sein, was sie war. Ihre Zellen beginnen, sich neu zu organisieren. Gene, die vorher inaktiv waren, schalten sich ein. Ein neuer Code wird aktiv. Der Kokon ist kein Stillstand, sondern eine Baustelle der Verwandlung.
Doch wir Menschen hassen diesen Zustand. Wir nennen ihn Krise, Burnout, Depression, Scheitern. Wir klammern uns an das, was war, oder stürzen uns kopflos ins Neue, nur um der Leere zu entkommen. Wir wollen schnell wieder Antworten, schnell wieder Halt, schnell wieder eine Geschichte, die wir erzählen können. Aber die Wahrheit ist: Vielleicht musst du gerade nicht wissen, wie es weitergeht - weil dein Organismus längst weiß.
Dein Organismus ist nicht dumm. Dein Nervensystem, deine Zellen, deine DNA - sie alle sind Meister der Anpassung. Sie haben Jahrtausende überlebt, weil sie wissen, wie man sich verwandelt. Leere ist der Moment, in dem dein System umschaltet, nicht etwa, weil du versagt hast, sondern weil das Alte nicht mehr trägt. Dein Körper drängt dich nicht in Leere, um dich zu zerstören, sondern um dir Raum für eine neue Version zu geben.
Innere Führung bedeutet genau hier, die Leere nicht zu füllen, sondern zu halten. Leere annehmen wie den Kokon. Zu erkennen, dass es nicht darum geht, sofort neue Konstrukte zu bauen, sondern in der Transformation zu bleiben. Das Alte stirbt, der neue Code formt sich und deine Aufgabe ist nicht, das zu beschleunigen, sondern präsent zu sein.
Die Epigenetik zeigt es: Stress, Unterdrückung, permanentes Funktionieren - all das verkürzt deine Telomere. Dein biologisches Alter steigt, deine Lebensenergie sinkt. Aber Akzeptanz, Ruhe, Präsenz tun das Gegenteil, denn sie verlängern Lebensenergie. Sie öffnen die Schalter in deinem Genom, die Heilung, Kreativität und Regeneration ermöglichen. Leere ist nicht nur psychologisch, sie ist biologisch, denn wenn du in ihr bleibst, öffnest du in deinem Körper neue Programme.
Archetypisch gesehen sind wir kollektiv in dieser Phase. Der Mensch der alten Welt – getrieben von Kontrolle, Konsum und Perfektion - ist eine Raupe am Ende ihres Zyklus. Die Leere, die so viele von uns spüren, ist nicht individuell, sondern kollektiv. Wir alle sitzen gemeinsam im Kokon und was du in dir hältst - deine Angst oder deine Akzeptanz - wirkt weit über dich hinaus. Der Kokon ist nie nur persönlich, er ist Resonanz. Dein Halten ist Teil der Wandlung des Ganzen.
Und weil das alles groß klingt, braucht es etwas Kleines, nämlich Praxis. Setze dich dafür einfach für zehn Minuten hin. Kein Handy, kein Input, kein Plan. Atme. Still. Neugierig. Spüre, wie es sich anfühlt, nicht zu wissen. Es wird dich garantiert zuerst nervös machen, dann müde und vielleicht unruhig, aber irgendwann zeigt sich ein leises Wissen: Leere ist kein Loch, weil sie dich trägt.
Die Trennung von dem, was war, tut weh, sie fühlt sich an wie Verlust, aber sie ist Geburt. Und Geburt braucht Leere. Der Kokon ist nicht das Ende, er ist die Schwelle. Leere ist Kokon – und Kokon bedeutet Verwandlung.
In stiller Verbundenheit




